Donnerstag, 12. September 2013

Von Vornamen und ihren Trägern

Die Namen meiner Mitbewohner kann ich mir selbst aussuchen. Nach Lust und Laune kann ich taufen und auch jederzeit wieder umtaufen. Zumindest im Bearbeitungsstadium. Manchmal habe ich den Vornamen einer Figur sofort im Kopf. In dem Moment, in dem sie in meiner WG einzieht, weiß ich auch schon wie sie heißt. Ab und zu überlege ich dann noch eine Weile und probiere andere Namen aus. Meistens bleibt es in so einem Fall aber beim ersten intuitiven Einfall.

Manchmal braucht die Namensfindung
auch mehrere Anläufe...
 Es gibt aber auch Mitbewohner, die sozusagen komplett namenlos einziehen, und deren Namen man sich erst hart erarbeiten muss. Dann wälze ich die verschiedensten Namenslisten im Internet, die wohl eher für die eigenen Kinder gedacht sind. Für Romanfiguren eignen sie sich allerdings ab und zu auch ganz gut, weil man auf völlig neue Ideen kommt. Gerade in den Top Ten der vergangenen Jahre finden sich Vornamen, die zur Zeit meiner Geburt kein Elternteil in Erwägung gezogen hätte. Aus diesem Grund habe ich auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis keinen einzigen Träger eines solchen Namens, würde also vermutlich von allein nie drauf kommen.
Nun ist das aber mit den Namen so eine Sache. In dem Moment nämlich, in dem ich jemanden kenne, der so oder so heißt, ist dieser Vorname in meinem Kopf unabänderlich mit den Eigenschaften dieser Person verbunden. Ist der Mensch mir sympathisch, dann ist es der Name auch. Wenn nicht, dann nicht. Noch kurioser wird es, wenn Vornamen in der eigenen Vorstellung nicht nur mit Sym- oder Antipathien, sondern auch mit Äußerlichkeiten oder Charaktereigenschaften verknüpft werden. Und wenn ich dann drüber nachdenke, dass jeder Leser da sicher sein eigenes System im Kopf hat...
So fand zum Beispiel eine meiner ersten Leserinnen den Namen „Lutz“ für Maries Auserwählten gar nicht gut. Vermutlich kannte sie im Gegensatz zu mir einen Träger dieses Namens, der ihr überhaupt nicht sympathisch war. Oder gibt es etwa Namen, die die meisten oder sogar alle Menschen mit unangenehmen Eigenschaften oder auch mit angenehmen in Verbindung bringen?
Auch dafür gibt es Listen. Listen der klügsten, attraktivsten, modernsten, aber auch der dümmsten und altmodischsten Vornamen. Oder besser: der Vornamen, die allgemein mit diesen Eigenschaften assoziiert werden. Da werden „Taylan“ und „Marlou“ als die modernsten, „Edelbert“ und „Waltraud“ dagegen als die altmodischsten Namen gelistet. „Nathanael“ und „Esmé“ sind schon namentlich besonders klug, „Mendy“ und „Zlatko“ wiederum ziemlich dumm. Wobei letzterer den Stempel vermutlich von seinem berühmten Namensvetter aus „Big Brother“ bekommen hat. Pech.
Als die hässlichsten werden „Arnulf“ und „Machmut“ wahrgenommen. Die schüchternsten sollen angeblich „Dankward“ und „Kunigunde“ sein. Beim Studieren dieser Aufzählungen fällt ziemlich schnell auf, dass sich die Namen bei den positiven Listen erstaunlich ähneln. Ebenso die bei den negativen Attributen. Das spricht dafür, dass es eben einfach sympathische und weniger sympathische Vornamen gibt.
Trotzdem hat man sich gerade in letzter Zeit des öfteren Gedanken darüber gemacht, welche speziellen Charaktereigenschaften allgemein mit bestimmten Vornamen assoziiert werden. Die Namenforschung fand zum Beispiel heraus, dass „Kevin“ häufig mit Gewaltbereitschaft und geringerer Intelligenz in Zusammenhang gebracht wird, während „Maximilian“ eher als wohlhabend, verlässlich und klug gilt. „Maria“ wird als attraktiv, verlässlich und jung angesehen. Letzeres wird auch einer Lisa zugeschrieben, während „Bärbel“ als alt und tendenziell unsportlich gilt. Das mag rein statistisch eine interessante Sache sein.
Trotzdem glaube ich, dass ich als Schriftstellerin bei der Namenssuche immer eher dem eigenen Gefühl als einer Statistik nachgehen werde. Ich werde weiter im Kopf meine ehemaligen Klassenkameraden, Arbeitskollegen oder Widersacher durchgehen, wenn ich einen geeigneten Namen für einen neuen Mitbewohner suche. Und ich werde weiter interessante Namen, die ich höre, sehe oder lese, in meinem Ideen-Büchlein notieren, um sie dann bei passender Gelegenheit anwenden zu können. Denn Namen sind Schall und Rauch, aber manchmal doch gar nicht so unwichtig...

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