Samstag, 19. Oktober 2013

Von Männlein und Weiblein (Teil II)

Es lohnt sich durchaus, über die männliche und weibliche Sicht in der fiktionalen Wohngemeinschaft noch etwas ausführlicher nachzudenken. Während nämlich in einer realen WG jeder, ob Mann oder Frau, seine Vorstellungen uneingeschränkt einbringen kann, ist in einem Roman der Autor oder die Autorin der maßgebende Faktor. Natürlich kann der oder die sich mehr oder weniger einmischen, aber die Sicht des Verfassers wird immer eine übergeordnete Rolle spielen. Und damit auch sein/ihr Geschlecht.
Ist es nicht sogar so, dass das Genre „Frauenroman“ eine weibliche Sichtweise erwartet bzw. fordert? Würde eine Leserin, die ein solches Buch im Laden kauft, nicht enttäuscht sein, wenn sie aus heiterem Himmel von einer aus männlichem Blickwinkel erzählten Geschichte überrascht wird? Oder fände sie das vielleicht gerade interessant? Und gibt es umgekehrt auch ein Genre „Männerroman“, der vorrangig für Männer gedacht ist und in der Hauptsache ihre Vorstellungen vom Leben widergibt?
Als mein erster Roman „Dann gute Nacht, Marie!“ erschien, fühlten sich einige Männer in meinem Bekannten- und Freundeskreis sozusagen verpflichtet, das Buch zu kaufen und auch zu lesen. Ich habe mich darüber sehr gefreut, hatte aber auch ein schechtes Gewissen, weil mir das Lesen eines Frauenbuches wie eine der größten männlichen Qualen überhaupt vorkam. Ich habe jedem, der mir vom Kauf berichtete, versichert, dass er den Roman keineswegs lesen muss, um weiter mit mir befreundet zu sein.
Überraschenderweise bekam ich ausgerechnet von den männlichen Lesern einige der positivsten Beurteilungen. Das hat mich natürlich wieder gefreut, aber auch zum Nachdenken gebracht. Hatte ich etwa ein „zu männliches“ Buch geschrieben? Mein erster Roman und dann gleich Themaverfehlung? Oder könnte es vielleicht sein, dass es manchmal gar nicht so uninteressant ist, etwas aus der Sicht des anderen Geschlechts zu betrachten? Müssen sich Bücher immer in eine Schublade stecken lassen, um zu gefallen? Oder vielleicht gerade nicht?
Wenn man den Gepflogenheiten der meisten Buchhandlungen glauben darf, dann geht ohne Schubladendenken heutzutage auf dem Buchmarkt gar nichts mehr. Titel und Cover müssen ins Schema passen, sonst landet man schon mal gar nicht auf den Präsentationstischen. Und ohne das hat ein Roman sowieso kaum eine Chance. Deshalb plädiere ich dafür, das Gegen-den-Strich-bürsten beim Schreiben nicht zu lassen, sondern unermüdlich weiter zu versuchen. Und beim nächsten Roman werde ich es mal mit der männlichen Sicht probieren. Vielleicht wird das ja dann ein Werk, das die Geschlechtergrenzen sprengen kann...

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