Montag, 25. November 2013

Von Henne und Ei

Nicht erst seitdem ich in diesem Blog schreibe, frage ich mich, ob die Grenzen zwischen Autor und Protagonist manchmal verschwimmen bzw. ob sie das überhaupt dürfen. Bin ich manchmal auch meine Figur oder ist sie umgekehrt manchmal ich? Kann ich als Schriftstellerin die Persönlichkeit meiner Helden und vor allem Heldinnen immer von meiner eigenen trennen? Und wäre es überhaupt gut, das zu tun? Oder wäre es besser, das nicht zu tun?
Für den Umgang mit diesen Fragen gibt es vermutlich kein Patentrezept. Jeder Autor wird sie anders beantworten. Die Einstellung, dass eine gewisse Distanz zwischen Schöpfer und Geschöpf dringend vonnöten ist, um als Autor Herr der Geschichte und ihrer Entwicklung zu bleiben, ist nachvollziehbar. Aber ist es nicht auch von Vorteil, sich so weit wie möglich in die Lage der eigenen Figuren hineinzuversetzen, um ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen möglichst lebensecht beschreiben zu können?
Vielleicht ist es auch gar nicht notwendig, sich als Autor besonders in die Lage der Protagonisten zu versetzen, da man ja eben diese Lage selbst verschuldet bzw. kreiert hat. Denn schließlich hat man diese oder jene Situation vermutlich gerade deshalb geschaffen, um diese oder jene Figur in eine solche Lage zu versetzen. Es ist also vielmehr die Frage, was im jeweiligen Fall eigentlich zuerst da war, Ursache oder Wirkung, Henne oder Ei.
Erfindet der Autor die eine oder andere Wendung der Geschichte, um bei der Figur eine bestimmte, gewollte Reaktion zu erzeugen? Oder entwirft er eine Reaktion, die er in einer bestimmten, in der Geschichte wichtigen Situation für die Figur als nachvollziehbar erachtet? In jedem Fall jedoch lenkt er die Geschicke des Romans von außen und kann sie zu jedem Zeitpunkt beeinflussen.
Trotzdem ist so ein bißchen Hin und Her vermutlich nicht schlecht. Denn es kann sicher nicht schaden, sich ab und zu auch wieder ein wenig in die Lage seiner Figuren zu versetzen, um nachzuspüren, ob sie sich auch in die richtige Richtung entwickeln. Zum Glück hat man als Schriftsteller jederzeit die Möglichkeit, wieder aus der fremden Haut herauszuschlüpfen, wenn einem die Lage dort zu ungemütlich wird. Und dann kann man ja von außen je nach Bedarf immer noch jede Menge ändern...

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