Montag, 4. November 2013

Von Onkels und Tanten

Trotz des irgendwie geschäftlich anmutenden Mietverhältnisses zu meinen Romanfiguren bin ich als Schriftstellerin natürlich auch so etwas wie deren „Mutter“. Schließlich bin zunächst ich allein für ihre Entstehung verantwortlich und auch dafür, wie sie schlußendlich aussehen. Die Protagonisten haben sozusagen meine Gene und wachsen unter meiner Obhut auf. Und wenn etwas Anständiges aus ihnen geworden ist, bin ich sehr stolz. Da kann man schon mal Muttergefühle bekommen.
Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem sich andere in die Erziehung mit einmischen. Zu Beginn sind es die Testleser, die man sich im privaten Umfeld sucht, damit sie ihre Meinung sagen. Danach dann der erste Lektor und eventuell auch noch ein zweiter. Vielleicht gibt es auch noch einen Agenten, der am Manuskript mitarbeitet oder irgendwann später sogar einen Drehbuchautor, der so manches anders haben will...
All diese wohlmeinenden Onkels und Tanten helfen uns bei der Erziehung unserer Romanfiguren. Doch was bedeutet das für uns als „Eltern“ und für unseren Nachwuchs? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es dem einen oder anderen Protagonisten ganz gut tut, wenn ein Außenstehender bei der Entwicklung mithilft. Manchmal sind wir als Autoren nämlich so nah an unserer Geschichte und den Figuren, dass wir nicht mehr beurteilen können, ob sie gut gelungen sind oder nicht ganz so gut.
Im Gegensatz zur Realität weiß ich also als „Mutter“ nicht immer, was das Beste für mein „Kind“ ist. Denn ich habe meine Vorstellung von ihm, die ich ab und zu auch wieder hinterfragen muss, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Und schließlich kann eine Romanfigur nicht selbst widersprechen, wenn ich mir in den Kopf gesetzt habe, dass sie jetzt diesen oder jenen Mann heiraten soll. Ob es allerdings gut für ihren weiteren Lebensweg ist, kann ein Lektor manchmal vielleicht besser beurteilen.
Deshalb ein Danke an alle Onkels und Tanten, die sich unermüdlich in die Erziehung unserer Romanfiguren einmischen und so mit dafür verantwortlich sind, dass aus ihnen etwas Anständiges wird!

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