Mittwoch, 8. Januar 2014

Von Zahlen und Menschen (Teil I)

Heute im Interview: Marie Hartmann, 35 Jahre, Informatikerin aus München und Hauptfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“

Frau Hartmann, was hat Sie damals bewogen, einen Beruf zu ergreifen bzw. ein Studium zu beginnen, das mit einem Frauenanteil von damals unter 15 Prozent eine typische Männerdomäne war... und bis heute ist?

Gute Frage. Ich glaube, ich habe mich schon in meiner Schulzeit in der Welt der Zahlen am wohlsten gefühlt. Während Menschen oft ganz anders reagieren als man es erwartet, kann man in der Informatik keine bösen Überraschungen erleben. Immer stimmt das natürlich auch nicht, aber jede Abweichung ist doch mit mathematischen Mitteln erklärbar. Die Informatik ist im wahrsten Sinn des Wortes komplett „berechenbar“. Das kam mir immer sehr gelegen. Vielleicht bin ich ja in diesem Punkt eher „männlich“ veranlagt.

Kann man also sagen, dass Ihnen Menschen ab und zu nicht so ganz geheuer sind?

Vor meinem 35. Geburtstag hätte ich diese Frage, ohne zu zögern, mit einem klaren „Ja“ beantwortet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich mit meinem Kater Kasimir sehr zurückgezogen und privat wenig Kontakt zur Außenwelt gepflegt. Meine Erfahrungen am Arbeitsplatz mit intriganten Kollegen und einem schwierigen Vorgesetzten haben ihren Teil dazu beigetragen.

Also hatten Sie das Gefühl, mit Ihrem Kater besser zurechtzukommen als mit den Menschen in Ihrer Umgebung?

Definitiv. Und das will was heißen. Schließlich ist eine Katze nicht gerade das berechenbarste Haustier auf Gottes Erdboden.

Hat sich dieses Gefühl durch Ihren 35. Geburtstag verändert? Numerisch ist das doch kein besonderer Einschnitt. Was ist passiert?

Für mich hatte das Alter 35 schon immer eine große Bedeutung. Wenn ich mir überlegt habe, was ich im Leben erreichen möchte, habe ich das meiste mit Mitte dreißig abgeschlossen gesehen. Wir reden hier natürlich nicht über Beruf oder Karriere. Aber „Mann finden“, „Haus bauen“, „Kinder kriegen“ hatte ich bis 35 ganz klar angepeilt. Interessanterweise fiel mir erst am Geburtstag so richtig auf, dass nichts davon eingetreten war.

Diese Erkenntnis war wahrscheinlich ziemlich deprimierend, wenn Sie sich so lange an diese Ziele geklammert hatten, oder?

Einerseits ja. Denn von jetzt auf gleich wurde mir klar, dass mein Leben einen ganz anderen Verlauf genommen hatte als ich es mir immer gewünscht hatte. Andererseits setzte diese Erkenntnis auch eine ungeahnte Energie in mir frei. Sie brachte mich dazu, mein Leben auf keinen Fall so fortsetzen zu wollen wie es zu diesem Zeitpunkt war.

Also haben Sie sich schleunigst einen Mann gesucht, ein Haus gebaut und Kinder bekommen?

Nein, im Gegenteil. Ich habe angefangen, meinen Selbstmord zu planen.

Fortsetzung folgt...

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