Montag, 9. November 2015

Von der perfekten Hauptfigur und ihrem Geschlecht (2)

Zur Frage nach dem Geschlecht der perfekten Hauptfigur oder, besser gesagt, nach dem perfekten Geschlecht einer Hauptfigur, gibt es allerdings noch einen weiteren Aspekt, den man berücksichtigen sollte. Dabei handelt es sich um die potentiellen Leser beziehungsweise Leserinnen. Denn nicht nur der Autor sondern auch der Rezipient spielt bei der Entstehung einer Geschichte eine Rolle.
Für die Bücherbranche, also alle die, für die Bücher in erster Linie ein Geschäft sind, spielen die potentiellen Rezipienten sogar eine besonders wichtige Rolle. Denn ohne Leser verkauft man keine Bücher. Also fragt man sich am besten schon bevor man ein Buch verlegt oder ins Regal der Buchhandlung stellt, ob und an wen es sich wohl verkaufen wird. Das entscheidende Stichwort ist dabei „die Zielgruppe“.
Die Zielgruppe bei belletristischer Literatur sind in der Hauptsache die Frauen. 66 Prozent der Frauen haben im Jahr 2012 einer Allensbach-Umfrage zufolge mindestens ein Buch gekauft gegenüber 52 Prozent der Männer. Und 45 Prozent der Frauen gaben gegenüber 30 Prozent der Männer an, täglich oder mehrmals in der Woche nach einem Buch zu greifen.
Wen wundert es also, dass Verlage, Agenturen und Buchhändler sich mehr für die Leserinnen als für die Leser interessieren. Doch welches Geschlecht hat die perfekte Hauptfigur für eine weibliche Rezipientin? Muss das unbedingt eine Frau sein? Oder ist ihr sogar ein Mann lieber, um sich nicht ständig mit den eigenen Empfindungen und Vorstellungen beschäftigen zu müssen?
Das perfekte Geschlecht der perfekten Hauptfigur für den perfekten Leser gibt es vermutlich nicht. Doch gerade deshalb sollten wir, die wir an der Entstehung von Literatur auf die eine oder andere Weise beteiligt sind, uns vor zu plakativen Einteilungen hüten.
Letztendlich lässt sich sowieso nicht hundertprozentig voraussehen, wie dieses oder jenes Buch beim Leser oder der Leserin ankommen wird. Aber mit der Reduzierung aller Möglichkeiten auf die, die am wahrscheinlichsten gekauft werden, nehmen wir unserer Literatur die Vielfalt. Ich jedenfalls habe mich bei der Hauptfigur meines nächsten Romans für einen Mann entschieden. Obwohl ich eine Frau bin und obwohl die Mehrzahl meiner potentiellen Leser vermutlich auch Frauen sein werden. Mal sehen, was draus wird…

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